Recht auf einen unabhängigen Pflegegrad-Gutachter: So setzt du dein Recht durch

Symbol-Bild: Recht auf einen unabhängigen Gutachter bei der Pflegegrad-Begutachtung

Die Pflegegrad-Begutachtung entscheidet darüber, ob und welche Pflegeleistungen du bekommst. Normalerweise führt der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) die Begutachtung durch. Doch was passiert, wenn die Begutachtung zu lange dauert oder der MDK Fehler macht?

Hier erfährst du:
✅ Wann du Anspruch auf einen unabhängigen Gutachter hast
✅ Wie du gegen Verzögerungen oder Ablehnungen der Pflegekasse vorgehen kannst
✅ Welche rechtlichen Schritte du unternehmen kannst


1. Wann hast du Anspruch auf einen unabhängigen Gutachter?

Das Gesetz § 18 Abs. 3 SGB XI gibt dir das Recht, eine Liste mit drei unabhängigen Gutachtern zu bekommen, wenn:

1️⃣ Die Pflegekasse nicht innerhalb von 20 Arbeitstagen eine Begutachtung organisiert.
2️⃣ Die Pflegekasse von sich aus entscheidet, keinen MDK-Gutachter einzusetzen.

➡ In diesen Fällen muss die Pflegekasse dir die Liste mit unabhängigen Gutachtern zusenden. Du kannst dann einen Gutachter daraus auswählen.

Wichtig: Falls die Pflegekasse die Liste verweigert oder nicht reagiert, kannst du dagegen vorgehen.


2. Was tun, wenn die Pflegekasse die Liste nicht sendet?

Wenn die Pflegekasse ihre Pflicht nicht erfüllt, hast du mehrere Möglichkeiten:

🔹 Schriftliche Aufforderung mit Frist setzen (z. B. 14 Tage)
🔹 Widerspruch gegen die Ablehnung einlegen
🔹 Klage beim Sozialgericht einreichen

📌 Tipp: Falls die Pflegekasse nach deiner Aufforderung nicht reagiert, kannst du direkt rechtliche Schritte einleiten.


3. Kann die Pflegekasse die Übersendung der Liste verweigern?

Nein, die Pflegekasse hat kein Ermessen bei der Entscheidung.

  • Falls die Voraussetzungen nach § 18 Abs. 3 SGB XI vorliegen, muss sie die Liste zusenden.
  • Eine Verzögerung oder Weigerung kann mit einer Untätigkeitsklage oder einer Verpflichtungsklage angefochten werden.

Wann habe ich die Verzögerung zu vertreten?

✅ Einmalige Absage aus wichtigem Grund → Kein vollständiges Vertreten der Verzögerung

Wenn du den ersten Terminvorschlag des MDK aus einem wichtigen Grund (z. B. eine medizinische Behandlung) nicht wahrnehmen kannst, dann:

  • Hast du die Verzögerung nicht vollständig zu vertreten.
  • Muss der MDK einen alternativen Termin vorschlagen.
  • Bleibt der Anspruch nach 20 Arbeitstagen gemäß § 18 Abs. 3 SGB XI grundsätzlich bestehen.

📌 Beispiele für berechtigte Gründe:
✔ Wichtige ärztliche Behandlungen, Operationen oder Therapien.
✔ Krankenhausaufenthalte.
✔ Dringende familiäre Verpflichtungen (z. B. Todesfall in der Familie).

In diesem Fall bleibt dein Anspruch nach 20 Tagen bestehen, wenn der neue Termin weiterhin nicht innerhalb der Frist liegt.

❌ Mehrfache Absagen oder fehlende Kooperation → Risiko des Anspruchsverlustes

Falls du mehrere Terminvorschläge ohne triftigen Grund absagst oder nicht reagierst, könnte das als eigenes Verschulden gewertet werden.

📌 Wann könnte die Pflegekasse die Liste verweigern?
❌ Mehrere unentschuldigte Absagen.
❌ Verzögerung durch ständige Terminverschiebungen.
❌ Keine Reaktion auf Terminvorschläge des MDK.

In diesem Fall könnte die Pflegekasse argumentieren, dass die Verzögerung durch den Antragsteller verursacht wurde und der Anspruch auf die Liste entfällt.


Wer trägt die Beweislast bei einer Verzögerung?

Die Pflegekasse muss beweisen, dass der Antragsteller die Verzögerung vollständig zu vertreten hat.

🔹 Falls die Kasse behauptet, dass du schuld an der Verzögerung bist, kann sie nicht einfach pauschal ablehnen – sie muss nachweisen, dass deine Absage kausal für die gesamte Verzögerung war.
🔹 Falls der MDK erst nach der Absage einen neuen Termin in weiter Ferne anbietet, bleibt der Anspruch nach 20 Tagen bestehen, da die Verzögerung dann in der Verantwortung der Pflegekasse liegt.

Fazit: Falls die Pflegekasse deinen Anspruch verweigert, solltest du einen Widerspruch einlegen und auf die Beweislast verweisen.


Wann verjährt dein Anspruch auf eine Liste mit 3 unabhängigen Gutachtern?

Die Verjährungsfrist beträgt 4 Jahre gemäß § 45 SGB I und beginnt am Jahresende des Anspruchsjahres.

Das bedeutet: Falls dein Anspruch im Jahr 2022 entstanden ist, beginnt die Verjährungsfrist am 01.01.2023 und endet am 31.12.2026.

Falls du Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben hast, wird die Verjährung gehemmt.
Hemmung durch Antragstellung oder Widerspruch (§ 44 SGB I)
Hemmung durch eine Klage (§ 204 BGB i.V.m. SGB I)

Falls die Pflegekasse den Anspruch blockiert, könnte sich der Fristbeginn nach hinten verschieben.

Falls du eine Untätigkeitsklage oder eine Klage auf Durchführung des Verwaltungsakts eingereicht hast, wird die Verjährung unterbrochen, solange das Verfahren läuft. Sobald das Gericht entschieden hat, beginnt die Verjährungsfrist neu.

📌 Beispiel: Erinnerung an die Frist vor Klageeinreichung

Betreff: Fristsetzung zur Übersendung der Gutachterliste nach § 18 Abs. 3 SGB XI

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe am [Datum des ursprünglichen Antrags] meinen Antrag auf Einstufung in einen Pflegegrad gestellt. Nach § 18 Abs. 3 SGB XI besteht eine gesetzliche Verpflichtung, innerhalb von 20 Arbeitstagen eine Begutachtung durchzuführen oder mir eine Liste mit drei unabhängigen Gutachtern zur Verfügung zu stellen.

Da die Frist bereits seit [Anzahl der Tage] Tagen abgelaufen ist und ich trotz dessen keine Reaktion erhalten habe, setze ich Ihnen hiermit eine Frist von 7 Tagen zur Erledigung meiner Forderung.

Falls ich bis zum [Datum, 7 Tage später] keine Gutachterliste erhalte, werde ich ohne weitere Ankündigung eine Untätigkeitsklage nach § 89 SGG sowie eine Verpflichtungsklage auf Durchführung des Verwaltungsakts beim Sozialgericht einreichen.

Mit freundlichen Grüßen
[Dein Name]

📌 Wichtig:

Falls du innerhalb der Frist keine Antwort bekommst, kannst du die Klage direkt einreichen.

Setze eine letzte, kurze Frist (z. B. 7 Tage).

Versende das Schreiben per Fax, Einschreiben oder per E-Mail.

4. Welche Klage kannst du einreichen?

Falls die Pflegekasse nicht handelt oder die Liste verweigert, kannst du sie mit einer Klage dazu zwingen. Es gibt zwei Möglichkeiten:

🔹 Verpflichtungsklage nach § 54 SGG
➡ Falls die Pflegekasse die Liste absichtlich nicht herausgibt, kannst du sie per Verpflichtungsklage zwingen.
➡ Das Sozialgericht kann die Pflegekasse verpflichten, die Liste zu senden. Denn die Liste ist ein Verwaltungsakt, den du einklagen kannst.

🔹 Klage auf unterlassenen Verwaltungsakt nach § 89 SGG
➡ Falls die Pflegekasse einfach nichts tut, kannst du auch eine Klage nach § 89 SGG einreichen.
➡ Diese Klage hat den Vorteil, dass sie an keine Frist gebunden ist. Auch durch diese Klage kannst du vor Gericht einfordern, dass der Verwaltungsakt durchgeführt wird.

💡 Beste Strategie:
Am besten beide Klagen parallel einreichen, um sicherzugehen, dass eine davon Erfolg hat.

Ist die Übersendung der Liste ein Verwaltungsakt?

Ja, denn die Liste erfüllt alle Kriterien eines Verwaltungsakts nach § 31 SGB X:

Erfüllung der Merkmale eines Verwaltungsakts nach § 31 SGB X

KriteriumErklärungWarum die Übersendung der Gutachterliste ein Verwaltungsakt ist
BehördeEine öffentliche Stelle, die hoheitliche Aufgaben wahrnimmt.✅ Die Pflegekasse ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und handelt als Sozialversicherungsträger.
Hoheitliche MaßnahmeEine einseitige Entscheidung der Behörde auf gesetzlicher Grundlage.✅ Die Pflegekasse handelt nicht privatrechtlich, sondern setzt eine gesetzliche Verpflichtung um (§ 18 Abs. 3 SGB XI).
Auf dem Gebiet des öffentlichen RechtsDie Maßnahme beruht auf gesetzlichen Vorgaben des öffentlichen Rechts.✅ Die Übersendung der Liste ergibt sich aus § 18 Abs. 3 SGB XI, also aus dem Sozialrecht, das zum öffentlichen Recht gehört.
RegelungEine verbindliche Entscheidung, die den Rechtsstatus des Betroffenen verändert.✅ Die Liste legt verbindlich fest, welche drei Gutachter in Frage kommen. Der Antragsteller kann nur aus dieser Auswahl wählen.
EinzelfallDie Regelung betrifft eine bestimmte Person und keinen unbestimmten Personenkreis.✅ Die Liste wird nur für den jeweiligen Antragsteller erstellt und gilt nicht für andere Versicherte allgemein.
AußenwirkungDie Maßnahme hat Außenwirkung, sie eine Rechtsposition verändert oder verbindliche Wirkung entfaltet.Die Übersendung der Liste bewirkt eine verbindliche Auswahlmöglichkeit für den Antragsteller. Die Pflegekasse ist an die Entscheidung des Antragstellers gebunden und darf ausschließlich den von ihm bestimmten Gutachter aus der Liste beauftragen. Dadurch erlangt der Antragsteller eine unmittelbare Rechtsposition, die es ihm erlaubt, aktiv an der Wahl eines unabhängigen Gutachters für sein Pflegegrad-Verfahren mitzuwirken.

Fazit: Da die Maßnahme alle sechs Merkmale eines Verwaltungsakts erfüllt, handelt es sich eindeutig um einen einklagbaren Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X. 🚀


5. Darfst du selbst einen unabhängigen Gutachter beauftragen?

📌 Grundsätzlich nein – die Pflegekasse bestimmt, wer das Gutachten macht. Aber:

✅ Falls die Pflegekasse zu lange braucht, kannst du dich auf § 13 Abs. 3a SGB V berufen.
✅ Falls dein Pflegegrad zu niedrig eingestuft wurde, kannst du ein eigenes Gutachten als Gegengutachten einreichen.
✅ Falls du klagst, kann das Gericht ein neutrales Gutachten anfordern.

Aber Vorsicht:
❌ Die Pflegekasse muss dein eigenes Gutachten nicht anerkennen.
❌ Die Kosten für einen selbst beauftragten Gutachter müsstest du selbst zahlen.


6. Was tun, wenn der MDK die Begutachtung verweigert?

Manchmal verweigert der MDK die Begutachtung, zum Beispiel wenn du eine Videoaufnahme machen willst.

📌 Aber dein Zuhause ist dein Grundrecht!
➡ Nach Artikel 13 Grundgesetz hast du das Recht, dein Zuhause zu schützen.
➡ Eine offene Videoaufzeichnung zur Beweissicherung ist gerechtfertigt. Du musst nur darauf aufmerksam machen – zum Beispiel mit einem Aufkleber an der Tür. Auf dem Aufkleber sollte stehen, dass du eine Bild- und Ton-Überwachung bei dir Zuhause hast. So macht das auch eine Bank.

Klage wegen Diskriminierung einreichen (z. B. wenn du aus gesundheitlichen Gründen eine Videoaufnahme brauchst)


7. Fazit: So setzt du dein Recht auf einen unabhängigen Gutachter durch

Falls die Pflegekasse zu langsam ist → Liste mit unabhängigen Gutachtern fordern!
Falls sie nicht reagiert → Klage nach § 54 SGG oder § 89 SGG einreichen!
Falls der MDK Fehler macht → Widerspruch und Gegengutachten einreichen!
Falls du dringend eine Entscheidung brauchst → Einstweilige Verfügung beim Sozialgericht beantragen!

Lass dich nicht von der Pflegekasse oder dem MDK abwimmeln. Dein Recht ist gesetzlich geschützt!

📌 Falls du Hilfe bei einer Klage oder einem Widerspruch brauchst, kann ich dir gerne eine Vorlage erstellen. 🚀

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