Familien Pflege-Wohngruppe – Worauf Achten?

Anspruch auf Wohngruppenzuschlag bei Pflegegrad – Voraussetzungen und Tipps

Pflege-Wohngruppen-Zuschlag

Pflegebedürftige, die in einer ambulant betreuten Wohngruppe leben, können unter bestimmten Voraussetzungen den Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB XI beantragen. Doch was genau sind die Voraussetzungen, und welche Aufgaben muss die gemeinschaftlich beauftragte Person übernehmen, damit dieser Zuschlag gewährt wird?

Das aktuelle Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Juni 2024 (Az. B 3 P 2/23 R) liefert hierzu wichtige Klarstellungen.

Zusammenfassung des Urteils

Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Juni 2024 (Az. B 3 P 2/23 R) befasst sich mit dem Anspruch auf den Wohngruppenzuschlag gemäß § 38a SGB XI im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung. Der Kläger, ein pflegebedürftiger Mann, lebte in einer gemeinsamen Wohnung mit mehreren Familienmitgliedern, darunter seine Mutter, sein Vater und ein Pflegekind. Zusätzlich zog im Januar 2016 eine weitere pflegebedürftige Person in die Wohnung ein. Der Kläger beantragte im Februar 2016 den Wohngruppenzuschlag und gab seinen Vater als gemeinschaftlich beauftragte Person an, der zugleich seine Pflegeperson war.

Die Pflegekasse lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass das Zusammenleben innerhalb eines Familienverbunds nicht den Zweck einer gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung verfolge, da die familiäre Verbundenheit im Vordergrund stehe. Nach erfolglosen Widersprüchen und Klagen wurde der Fall schließlich vom BSG entschieden.

Das BSG wies die Revision des Klägers zurück und bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Es stellte fest, dass für den Anspruch auf den Wohngruppenzuschlag eine hinreichende Objektivierung klar bestimmter und zweifelsfrei abgrenzbarer zusätzlicher Aufgaben und Tätigkeiten der gemeinschaftlich beauftragten Person erforderlich ist. Im vorliegenden Fall konnte der Kläger nicht nachweisen, dass solche zusätzlichen Aufgaben und Tätigkeiten vorlagen, die über die übliche familiäre Unterstützung hinausgehen. Daher besteht kein Anspruch auf den Wohngruppenzuschlag.

Dieses Urteil verdeutlicht die Anforderungen an den Nachweis zusätzlicher Leistungen durch die gemeinschaftlich beauftragte Person in familiären Wohngruppen, um den Wohngruppenzuschlag beanspruchen zu können.


Was ist der Wohngruppenzuschlag?

Der Wohngruppenzuschlag unterstützt Pflegebedürftige, die in einer ambulant betreuten Wohngruppe leben. Voraussetzung ist, dass mindestens drei Pflegebedürftige mit einem anerkannten Pflegegrad gemeinsam wohnen und eine gemeinschaftlich beauftragte Person die Organisation des Alltags und der Pflege übernimmt. Der Zuschlag beträgt monatlich 224 Euro (Stand 2025).Der Wohngruppenzuschlag unterstützt Pflegebedürftige, die in einer ambulant betreuten Wohngruppe leben. Voraussetzung ist, dass mindestens drei Pflegebedürftige mit einem anerkannten Pflegegrad gemeinsam wohnen und eine gemeinschaftlich beauftragte Person die Organisation des Alltags und der Pflege übernimmt. Der Zuschlag beträgt monatlich 224 Euro (Stand 2025).

Quelle: § 38a SGB 11


Welche Aufgaben übernimmt die gemeinschaftlich beauftragte Person?

Die gemeinschaftlich beauftragte Person spielt eine Schlüsselrolle. Sie sorgt dafür, dass der Alltag in der Wohngruppe reibungslos funktioniert und die Pflege koordiniert wird.

Typische Aufgaben umfassen:

  1. Organisation der Pflege:
    • Koordination der Einsätze von Pflege- und Betreuungsdiensten.
    • Sicherstellung der Einhaltung des Pflegeplans.
    • Kommunikation mit Ärzten, Therapeuten und anderen Gesundheitsdienstleistern.
  2. Alltagsorganisation:
    • Planung von Einkäufen, Mahlzeiten und Haushaltsaktivitäten.
    • Organisation von Freizeitaktivitäten oder therapeutischen Maßnahmen.
  3. Verwaltung und rechtliche Aufgaben:
    • Verwaltung gemeinschaftlicher Finanzen der Wohngruppe (z. B. für Miete, Nebenkosten, Haushaltsbudget).
    • Sicherstellung der Einhaltung gesetzlicher und vertraglicher Anforderungen, die für die Wohngruppe gelten.

Wann wird der Zuschlag gewährt?

Das BSG-Urteil stellt klar: Die Aufgaben der gemeinschaftlich beauftragten Person müssen über die übliche familiäre Unterstützung hinausgehen. Die Tätigkeit muss klar von der normalen Fürsorge innerhalb eines Familienverbunds abgegrenzt werden.

Zusätzliche, abgrenzbare Aufgaben sind zum Beispiel:

  1. Professionelle Organisationstätigkeiten:
    • Erstellung und Überwachung eines strukturierten Betreuungsplans für mehrere pflegebedürftige Personen, auch wenn sie unterschiedliche Pflegegrade oder Bedarfe haben.
    • Koordination von externen Pflegekräften und spezifischer Hilfsmittelversorgung.
  2. Regelmäßige und dokumentierte Zusammenarbeit mit Dritten:
    • Regelmäßige Kommunikation mit Leistungsträgern, Behörden oder Versicherungen im Namen der Wohngruppe.
    • Dokumentation und Überwachung der Einhaltung pflegerischer Standards und Hygienerichtlinien in der Wohngruppe.
  3. Umfangreiche Verwaltungs- und Koordinationsaufgaben:
    • Ausarbeitung und Durchsetzung von gemeinschaftlichen Regelungen innerhalb der Wohngruppe (z. B. Zeitpläne für gemeinsame Aktivitäten oder spezifische Maßnahmen für Bewohner mit erhöhtem Unterstützungsbedarf).
    • Verwaltung von Budgetplänen und Pflegekassenabrechnungen.
  4. Besondere Unterstützung in der Organisation:
    • Übernahme von Schulungen oder Anleitungen für andere Pflegepersonen oder Angehörige.
    • Sicherstellung der barrierefreien Gestaltung der Wohnung (z. B. Organisation von baulichen Anpassungen).

Familienangehörige als gemeinschaftlich beauftragte Personen:

Wenn ein Familienangehöriger diese Rolle übernimmt, ist der entscheidende Punkt, dass die übernommenen Aufgaben über die übliche familiäre Unterstützung hinausgehen. Gewöhnliche Tätigkeiten wie die Unterstützung im Haushalt, Begleitung zu Arztterminen oder die Betreuung eines Angehörigen gelten oft als familiäre Verpflichtung und sind schwer als „zusätzlich“ im Sinne des § 38a SGB 11 anzuerkennen.

Praktische Hinweise:

  • Nachweisführung: Die zusätzlichen Aufgaben müssen konkret beschrieben, regelmäßig dokumentiert und möglichst mit externen Dritten abgestimmt sein.
  • Grenzziehung zum Familienleben: Es muss deutlich werden, dass die Aufgaben einer beruflichen oder organisatorischen Tätigkeit ähneln und nicht nur aus der familiären Nähe resultieren.
  • Externe Unterstützung: Die Inanspruchnahme externer Partner (z. B. Pflege- oder Reinigungsdienste) kann ein Indiz für die zusätzliche Organisationstätigkeit der beauftragten Person sein.
  • Pflegedienst-Wohngruppe: Um die Bewilligung 100%ig zu erhalten, könnt ihr zur Gründung zunächst einen Pflegedienst mit der Übernahme der Wohngruppen-Organisation beauftragen. Kurz nach Bewilligung kann die gemeinschaftlich beauftragte Person dann eine Privatperson eurer Wahl werden. Wenn die Privatperson die gleichen Aufgaben übernimmt, kann der Anspruch auf den Wohngruppen-Zuschlag eigentlich nicht mehr abgelehnt werden.

Das Urteil des BSG verdeutlicht, dass die bloße Anwesenheit von Angehörigen in einer Wohngruppe nicht automatisch ausreicht, um den Anspruch auf den Wohngruppenzuschlag zu begründen. Vielmehr müssen die zusätzlichen Leistungen klar dokumentiert und objektiv nachweisbar sein.


Tipps zur Beantragung des Wohngruppenzuschlags

  1. Pflegegrad nachweisen: Mindestens drei Mitglieder der Wohngruppe müssen pflegebedürftig sein.
  2. Aufgaben der beauftragten Person dokumentieren: Listen Sie alle organisatorischen Tätigkeiten detailliert auf und führen Sie Nachweise.
  3. Nachweis der Gemeinschaft: Die Wohngruppe muss als ambulant betreute Wohngemeinschaft strukturiert sein – ein loses Zusammenleben reicht nicht aus.
  4. Grenzen zum Familienleben beachten: Wenn ein Familienmitglied die gemeinschaftlich beauftragte Person ist, müssen deren Aufgaben klar zusätzlich sein und über familiäre Verpflichtungen hinausgehen.
Antrags-Unterlagen gemäß §38a SGB 11

§38a SGB 11 Absatz 2: Die Pflegekassen sind berechtigt, zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen bei dem Antragsteller folgende Daten zu verarbeiten und folgende Unterlagen anzufordern:

  • die vereinbarten Aufgaben der Person nach Absatz 1 Nummer 3.
  • eine formlose Bestätigung des Antragstellers, dass die Voraussetzungen nach Absatz 1 Nummer 1 erfüllt sind,
  • die Adresse und das Gründungsdatum der Wohngruppe,
  • den Mietvertrag einschließlich eines Grundrisses der Wohnung und den Pflegevertrag nach § 120,
    (Anmerkung: Der Pflege-Vertrag ist bei privat organisierten Pflege-Gruppen nicht erforderlich)
  • Vorname, Name, Anschrift und Telefonnummer sowie Unterschrift der Person nach Absatz 1 Nummer 3 und
    (Anmerkung: §38a SGB 11 Absatz 1: Pflegebedürftige haben Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 224 Euro monatlich, wenn (…) Nummer 3. eine Person durch die Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten)
  • die vereinbarten Aufgaben der Person nach Absatz 1 Nummer 3.

Fazit: Anspruch mit klarer Abgrenzung

Das Urteil des BSG verdeutlicht die hohen Anforderungen an die Nachweisführung beim Wohngruppenzuschlag. Die Tätigkeit der gemeinschaftlich beauftragten Person muss objektiv und eindeutig als zusätzliche Leistung erkennbar sein. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollten daher frühzeitig alle notwendigen Nachweise sammeln und die Struktur der Wohngruppe sorgfältig planen.

Haben Sie Fragen oder benötigen Unterstützung beim Antrag? Sprechen Sie mit einem Fachanwalt für Sozialrecht – wir helfen Ihnen gerne weiter.

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